Wie entsteht eigentlich ein Stift in der SchreibMeister Werkstatt? Begleiten Sie uns bei einer Stifteproduktion:
Das wird eine kleine Serie aus Rollerballs, Füllern und Kugelschreibern aus Apfelholz. Das Apfelholz stammt von einem Baum in der Nähe von Schrobenhausen aus dem Garten eines Sägewerks (danke, dass wir ihn „retten“ durften“) und aus dem Garten unser lieben Nachbarin. Dieser Baum hat uns eines morgens kurz nach 1 Uhr mit einem lauten Krach „besucht“. Goldregen und Hartriegel wurden dabei in Mitleidenschaft gezogen, haben es aber überlebt. Was man von Zaun nicht behaupten konnte ... Aber lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben wundervolles, gestocktes Apfelholz behalten dürfen. Nachdem wir das Holz getrocknet haben, können wir es nun auch verarbeiten.
In der Werkstatt gibt es einen alten Brauch: man ist dort per „Du“. Also: Schön, dass du da bist :-) Ich möchte dich mit auf die kleine Reise nehmen, auf der wir das Apfelholz zusammenstellen, vorbereiten, drechseln, weiter verarbeiten, veredeln und am Ende Stifte daraus bauen. Um dir ein ungefähres Zeitgefühl zu geben, haben wir einfach an einem Montag mit der Arbeit begonnen.
Das sind ist unser Ausgangsholz: eine (leider gesprungene) Scheibe eines Astes, ein Abschnitt des Stammes und mehrere kleine Kanteln eines stark gestockten Baumes (v.l.n.r.)
Als erstes schneiden wir die Teile zu sogenannten „Kanteln“. Das sind einfach rechteckige lange Holzteile. Je nach Schreibgerät wähle ich dabei verschiedene Kantenlängen. Da ich aber hier noch nicht weiß, für welchen Stift genau die Kantel sein wird, nehme ich eine relativ großzügig bemessene Kantenlänge.
Die Holzscheibe wird sinnvoll aufgeteilt, so dass der Riss keine große Rolle spielt. An dieser Stelle entscheide ich, dass ich auch mal Apfelholz „gegen die Maserung“ drechseln werde. Das birgt zwar manche Risiken, aber das Ergebnis könnte der Mühe (und mancher Enttäuschung) wert sein.
Leider ist das Holz an manchen Stellen durch Bakterien und Sporen schon so zersetzt, dass es nach dem Sägen auf der Bandsäge einfach zerfällt. Schade, denn es hat wirklich eine tolle Farbe und Zeichnung. Vielleicht läßt sich aus den Resten noch etwas machen. Heben wir die mal auf ....
So, es liegen nun einige Kanteln mit den Grundmaßen auf meinem kleinen mobilen Werktisch vor. Ich denke, wir schneiden den Rest der Holzscheibe auch noch auf und teilen dann alles auf die einzelnen Stiftserien auf.
Jetzt haben wir alles Apfelholz in Kanteln und kleine Abschnitte aufgetrennt. Wir weisen nun die Teile den Stiftserien zu: »Grande« mit Schraubkappe als Rollerball und Füller; »Caolan« als langer schlanker Rollerball (hmmm .. ich könnte auch mal einen Füller aus der Serie machen); »Alube«, der vornehme Drehkugelschreiber und rechts oben ein paar kleine freche »Finleys“, die kleinen Drehkugelschreiber.
Für die »Finleys« hat das Material nicht ganz gereicht. Daher probiere ich mal aus zwei Teilen eines zu machen, indem ich diese zusammenklebe. Ums interessanter zu machen, baue ich in die Mitte der beiden Teile einen knallroten Holzstreifen aus Cocobolo ein. Ist ein Experiment – mal sehen, was dabei rauskommt.
Jetzt werden aus den Kanteln die „Blanks“. Das sind dann die Rohlinge, aus denen die Kappe und der Stiftteil gemacht werden. Diese müssen die Länge der später eingeklebten Messingröhrchen haben, plus ein paar mm als Sicherheitspuffer (der später wieder abgefräst werden muss ...). Die Messingröhrchen siehst du auf meinem kleinen (selbstgebauten) Bandsägetisch liegen. Hier kann ich die Längen der Rohlinge exakt einstellen und abschneiden.
Damit später die Maserung von der Kappe bis zur Spitze wirklich durchgängig ist, markiere ich die Blanks. Hier sehen wir Blanks, die gegen die Maserung gedrechselt werden; bei Blanks, die „normal“ gedrechselt werden, finden sich noch zwei Striche, welche die Zusammengehörigkeit der Maserung anzeigen.
Hier sind alle Blanks auf dem Tisch. Ganz schön viel Arbeit, was? Aber das ist erst der kleinste Teil der Vorbereitung. Morgen müssen in alle Blanks Löcher gebohrt werden (natürlich super gerade). Damit es auch etwas aufwändiger ist, haben Stifte wie der Grande zwei verschiedene Durchmesser bei Kappe und Stift ...
Aber morgen mehr davon.
Schön, dass du auch den zweiten Tag verfolgst. Nachdem wir die Blanks zugeschnitten haben, muss in jeden Blank ein Loch mittig gebohrt werden. Das dient der späteren Aufnahme der „Hardware“ wie Schreibspitze oder Clip. Jede Stiftserie hat ihren eigenen „Lochdurchmesser“, benötigt also ihren eigenen Bohrer. Manchmal hat eine Serie (wie die »Grande«) sogar zwei verschiedene Durchmesser. Damit es schön exotisch bleibt, werden Bohrer mit den Stärken 11,7 mm, 13,3 mm oder 12,6 mm benötigt. Aber seht selbst:
Als erstes schauen wir nach dem »Finley« Experiment. Da haben wir zwei zu kurze Blanks zusammengeklebt. Um es interessanter zu machen, wurde in der Mitte ein Stück rotes Cocobolo-Holz eingefügt. Wir lösen es aus den Zwingen ... und es sieht erst mal ganz OK aus ...
Dann beginnen wir mit der Serie »Grande“. Als erstes bohren wir die Blanks für die spätere Kappe. Da die Bohrungen exakt sein sollen, erledige ich diese Arbeit auf der Drechselbank mit einem speziellen Bohrfutter. Somit verläuft der Bohrer nicht im Holz (oder nicht so stark) und der Blank wird durch das Drechselfutter perfekt gehalten.
Dann spannen wir den Bohrer um. Jetzt kommt ein Standard 10 mm-Schlangenbohrer. Den verwende ich für die etwas längeren Teile, aus denen wir den Stift machen.
Schließlich haben wir dann alle Blanks für unsere vier »Grande« Stifte fertig gebohrt. Nun zu den langen Blanks der »Caolan« Serie ...
Die Blanks der »Caolan« Stifte sind verteufelt lang. Da reicht sogar die Pinole nicht aus, um auf einen Rutsch durchzubohren (Pinole ist das komische Ding, in dem der Bohrer steckt und sich auf das Holz zubewegt).
Das Ganze aus Sicht des Bohrfutters in der Pinole. Es ist ein langer Weg.... und die Bohrung soll auch noch gerade werden.
Aber irgendwann, mit Geduld und etwas Ausdauer und dem „Weißen Album“ der Beatles sind alle »Caolan« Blanks gebohrt. Und keiner ist geplatzt oder gerissen.
Dann wieder Bohrer umspannen, nächste Größe montieren.
Jetzt kommen die »Alube« Stifte dran. Hier sind Kappe und Stiftteil gleich lang. Zumindest fast. Der Bohrer reicht fast aus und gibt dem Begriff „Tiefenbohrung“ eine nahezu bildhafte Bedeutung.
Schließlich sind auch alle Blanks der »Alube« Serie fertig gebohrt. Und wir sind mittlerweile beim Beatles-Album „Sgt. Pepper“ angekommen ...
Jetzt geht es an die experimentellen »Finleys«. Ich denke grad, dass es mutig ist, so ein Experiment zu zeigen ... es hat viel Potenzial, dass es schief geht. Aber was solls, vielleicht klappt es ja auch.
Und dann wird auch schon der erste geklebte »Finley« gebohrt. Erfreulicherweise mit einem relativ dünnen Bohrer.
Wenn die »Finleys« was werden, könnten die echt interessant aussehen. Die Maserung des Apfelholzes hat es schon in sich. Da passt auch die Musik von den Beatles dazu: Apple Records.
Nachdem alle »Finleys« erfolgreiche gebohrt wurden, muss ich noch die „Gegenparts“ dazu machen. Also zurück an die Bandsäge und 3 neue Blanks schneiden, die dann den Stiftteil ergeben.
Natürlich müssen die zusätzlichen Blanks auch noch gebohrt werden. Hat ja keiner gesagt, dass das einfach ist. Oder?
Und dann sind auch alle »Finleys« fertig. Aus der Anlage dröhnt grad die „Sgt. Pepper Reprise“, der letzte Song des Albums. Muss jetzt was neues „auflegen“
So siehts nun aus. Der nächste Schritt: „Freut euch des Klebens“. Na denn ...
Die „Klebestation“: Die Feile brauche ich, da die Löcher schnell enger werden (Holz arbeitet ja ...). Ab und an muss hier wirklich gefeilt werden. Und mit dem martialischen Instrument, das man von jedem unerfreulichen Zahnarztbesuch her kennt, drückt man die Röhrchen am Schluss in das Holz ein.
So kommt das Röhrchen in den Blank ...
.. natürlich mit entsprechendem Kleber. Der muss bestimmte Eigenschaften haben, um das Röhrchen in allen Hölzern gut zu halten. Eine Eigenschaft, die er nicht bräuchte: das ausdauernde und lästige Verkleben der Finger.
So schaun die Röhrchen aus. Ganz glatt. Und das ist schlecht. Die brauchen eine rauhe Oberfläche, an welcher der Kleber gut haften kann. Also ...
... muss vor dem Einkleben erst jedes Röhrchen per Hand aufgerauht werden. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass Praktikantinnen sehr willkommen sind ;-) Am besten mit klassischem Musikgeschmack - der großen Klassiker der 60er und 70er Jahre. Neil Young spielt übrigens grad „Heart of Gold“.
Nachdem alle Röhrchen aufgerauht sind, Neil Young an die Rolling Stones übergeben hat, sind alle »Grande« Stifte mit den entsprechenden Röhrchen versehen.
Einige Songs später sind auch die »Caolan« Stifte fertig verklebt.
Und klar – einer muss aus der Reihe tanzen. Ein Rohling der »Alube« ist so weit eingerissen, dass er nicht mehr brauchbar ist. Also zurück zum Holzregal, passendes Stück suchen, an der Bandsäge zuschneiden, dann bohren und wieder zurück zum Kleben.
Dann sind auch die »Alubes« fertig. Da ich im Holzregal noch einen tollen Apfelholzabschnitt gefunden habe, hab ich den auch noch gleich verwendet. Ganz links seht ihr die tolle Längsmaserung des „neuen“ Stiftes.
Jetzt müssen wir uns noch um die »Finleys« kümmern. Da die Blanks zu lang sind, messen wir diese ab, zeichnen das gewünschte Maß an und schneiden die Blanks an der Bandsäge zu.
Und schon sind die »Finleys« auch mit Röhrchen versehen.
Wir ihr seht, kann man so einen Tag auch verbringen ...
Die Blanks müssen jetzt ca. 48 Stunden richtig aushärten. Dann kommt der spannende Teil: das Abfräsen (OK, das ist langweilig) und danach kommt endlich das Drechseln der Stifte. Und dann ist „Halbzeit“. Die „Überlebenden“ dürfen dann in die zweite Halbzeit einziehen.
Und weiter gehts: Heute wird ein langer Tag. Ein gaaanz langer Tag. Am besten eine Tasse Kaffee holen, zurücklehnen und alle Höhen (und ein paar weniger ausgeprägte Höhen) des Produktionsprozesses miterleben. Und los gehts:
Der Morgen graut. Also ganz früh raus, einen (OK - drei) Cappucino. Und los gehts. Die Uhr zeigt auf 10:45 und wir haben viel vor. Ein Blick auf den Werktisch ... und ich frage mich, ob wir das heute alles schaffen ...
So schauen unsere Kanteln im Moment aus. Der Kleber ist richtig aufgeschäumt und durchgehärtet. Das Aufschäumen ist wichtig, damit das Röhrchen innen an allen Stellen wirklich fest verklebt ist. Wer wissen will, warum ich so einen Kleber verwende, der soll „Adhäsionskräfte“ und „Kohäsionskräfte“ mal im Zusammenhang mit Klebstoffen googeln.
Nächster wichtiger Schritt: eine neue Tasse Cappucino. Und auch das Abfräsen der Rohlinge ist nicht ganz unwichtig. Die Enden der Blanks müssen ja exakt bündig mit dem eingeklebten Röhrchen sein. Und wieder kommen Teile zum Einsatz, bei denen mein Zahnarzt feuchte Augen bekommen würde. Den sollte ich mal wieder besuchen. Oder lieber auch nicht ...
Der Fräser wird in die Ständerbohrmaschine eingespannt. Den Blank halte ich vorsichtshalber mit einer Zange, damit er sich nicht unmotiviert dreht. Ich habs mal ohne Zange probiert – und konnte danach 2 Wochen keine Gitarre mehr halten ...
Der Fräser taucht mit dem „Räumschaft“ exakt gerade ein und fräst das Holz oben ab. Die Kunst hier: man darf das Röhrchen nicht kürzen! Kürzt man es (um mehr als 2/10 mm), dann funktionieren die Stifte Alube und Caolan nicht mehr. Das merkt allerdings erst beim Zusammenbauen, wenn man mit allem fertig und der Bausatz verbaut ist. Herbe Enttäuschung und Schimpfwörter aller Coleur kennen dann keine Grenzen ... also gaaaaanz vorsichtig fräsen.
So sieht dann ein schön abgefrästes Ende aus. Jetzt noch die andere Seite. Und dann Fräser mit anderem Durchmesser für die anderen Stifte einspannen und das Selbe nochmal. Für 16 Stifte, vorne und hinten ... also 32 mal. Aber wir sind ja noch jung. Ich sollte Bob Dylan auflegen .. „Forever young“. Gute Idee!
Und wieder einen neuen Räumschaft einspannen - den dünnsten Räumschaft haben unsere „Experimental-Finleys“ mit dem eingeklebten roten Holz. Aber auch die lassen sich erfreulicherweise gut abfräsen.
Leider kann ich nicht jeden Blank fräsen. Bei manchen ist das Holz schon so gestockt, dass der Fräser es regelrecht zerfetzen würde. Also bekommen diese Blanks eine „Handwäsche“ und werden vorsichtig am Tellerschleifer glatt geschliffen. Hält man den Blank zu weit vorne, erinnert man sich an das Gedicht: „Schmerzen werden erst nachdem, sie nachgelassen angenehm“. Meine Verehrung an Heinz Erhardt.
Hmmm ... da ist doch beim Fräsen glatt das Holz eingerissen. Ein winziger Teil am Röhrchen steht noch. Ich füll das mit feinem Abrieb einer Apfelholzrinde auf und kleb es mit Sekundenkleber an. Das könnte funktionieren. Wir werden es spätestens beim Drechseln merken ...
Es gehts nun endlich ans Drechseln. Und während Manfred Mann „Do Wah Diddy“ aus den Boxen plärrt, schärfe ich das Drechseleisen meiner Wahl, mit dem ich das zum Teil zickige Apfelholz „rund machen“ möchte.
Die Schneide ist rasiermesserscharf (ich muss nicht erwähnen, dass ich das auch schon mal getestet habe). Der Hersteller der Schärfmaschine legt ein kleines Päckchen Pflaster der Verpackung bei. Ich hab das immer für einen netten Marketing-Gag gehalten ...
Und für alle „ganz Genauen“: Natürlich wird auf einer Lederscheibe der Grad entfernt. Außen und innen.
Da sich der aufschäumende Kleber in winzigen Resten an den Innenwänden festsetzt, müssen wir diesen auf beiden Seiten bei allen Blanks entfernen. Und Manfred Mann ist grad „Blinded by the light“.
So – endlich an der Drechselbank. Die beiden Blanks werden eingespannt. Die komischen Metallringe zwischen den Holzteilen nennen sich „Bushings“. „Abstandshalter“ könnte man auch sagen. Die wichtigste Aufgabe von den Teilen ist, den finalen Durchmesser exakt anzuzeigen. Das bedeutet, dass man genau bündig zu diesen Ringen drechseln muss. Aber so was von genau. Unfassbar genau. Eine phantastische Möglichkeit, die bisherige Arbeit mit einem kleinen Zucken in den Fingern binnen einer Zehntelsekunde zunichte zu machen. Aber wir sind ja bemüht und passen auf ...
Wir beginnen mit dem Drechseln. Erst machen wir mal die eckigen Teile etwas runder. Erinnert mich an meine erste Lehre: Mein Meister hatte auch immer Freude, mich morgens erst mal rund zu machen ... Heute funktioniert das Rundmachen bei mir super mit Kucken und Schokolade, wenn man nicht aufpasst, wird man immer runder. Beim Holz brauchts dazu ein Drechseleisen. Und dann haben wir Stift und Kappe das erste mal in einer stiftähnlichen Form: rund, in der 99% finalen Größe, aber noch völlig unbearbeitet. Der erste Grande-Rollerball nimmt Gestalt an.
Damit ihr mal seht, mit wem ich drechsle, wer hier immer im Hintergrund rumsteht: kein Geringerer als Jimi persönlich. Die ganze Werkstatt sieht so aus ... meine „Kreativ-Wabe“. Da soll man ja auch tolle und ausgefallene Ideen haben. Also brauchts auch eine tolle und ausgefallene Umgebung. Oder? Allerdings kommt auf dem iPod jetzt AC/DC und kein Jimi. Werd ich gleich ändern. Angus und Co. sind erst bei der „Dark Soul Serie“ die nächsten Tage dran....
Der dritte »Grande« Blank zickt. Da hab ich zu viel Holz abgenommen. Selber schuld. Dieser Blank ist „Gone with the wind“ ...
Als nächstes müssen wir die Oberfläche glatt schleifen, damit die Maserung schön zum Vorschein kommt, Unebenheiten (falls es welche gibt) beseitigt werden und die Basis für den nächsten Schritt gelegt wird (ich vermute, dass meine liebe Lektorin bei diesem Satz Ausschlag bekommen wird ....). Wir beginnen vorsichtig mit 120er Schleifpapier, dann 150 - 180 - 240 - 320 - 400. In Ausnahmefällen gehts bis 600er Papier. Vor dem 400er wird das Holz nass gemacht, damit sich die Fasern aufstellen und das anschließende 400er Papier die Oberfläche super glatt macht.
Um bei bestimmten Hölzern gewisse Reaktionen mit Oberflächenmitteln besser steuern zu können – und weil es einfach supertoll aussieht – wird die Oberfläche mit einem sehr harten Wachs bearbeitet. Mit hoher Umdrehung (rund 2100 Umdrehungen pro Minute, das sind 35 Umdrehungen pro Sekunde) wird das Wachs dann mit einem Tuch einpoliert. Durch die Reibungshitze schmilzt es, dringt ins Holz ein und gibt zusätzlichen Schutz.
Für viele ist die Oberflächenbearbeitung hier zu Ende. Bei mir beginnt sie aber jetzt erst ... und Jimi erzählt mir grad was von „Purple Haze“. Ein cooler Spätnachmittag ....
Ich mache alle »Grande« fertig und bereite die Maschinen für die »Caolan« Serie vor.
Die »Caolan« Stifte brauchen andere Bushings, Hendrix baut gerade Burgen aus Sand (für die Musik-Insider) und ich drechsle die »Caolan« Serie.
Die »Caolan« werden auch fein geschliffen. Und prompt habe ich einen durchgeschliffen. Bei den Stiften sind nur wenige 10tel mm (ja – Millimeter!) Holz da. Aber das kann ich reparieren. Vielleicht sollte ich weniger heftige Musik auflegen. Wie wäre es mit der Marshall Tucker Band? Kennt die eigentlich überhaupt jemand? Egal – Southern Country Rock muss jetzt her.
OK – Marshall Tucker hat auch nicht geholfen. Und der Titel „Can´t you see“ beruhigt mich im Moment auch nicht sehr ... hier ist ein »Caolan« so richtig geplatzt. Kann passieren. Aber warum mir? Gibt bestimmt einen Grund dafür. Ich schieb es mal aufs Holz. Und auf Hunger und Durst. Und zu wenig Schokolade. Bin bestimmt im Unterzucker. Mal sehen, ob mit mehr Schokolade so was noch mal passiert...
Wir bauen wieder um für die »Alube« Serie, die edlen Drehkugelschreiber. Der kleine Ausreißer im unteren Bild ist dem gestockten Holz geschuldet. Wenn es am Ende nicht so toll aussehen würde, wäre der Stift ein Fall für die „Ablage O“ (O wie Ofen). Aber so werde ich wohl das Loch vorsichtig flicken. Ich sollte mal über Intarsienarbeiten nachdenken. ...
So – der Abend kommt so langsam und wir haben alle Stifte so weit gedrechselt. Bis auf unser Experiment: die zweifarbigen »Finleys«, unsere kleinen frechen Drehkullis. Also: einspannen, nochmal Drechseleisen schärfen und los gehts.
Welcher Intelligenzbolzen ist eigentlich auf die Idee gekommen, in ein weiches Apfelholz ein sehr hartes Exotenholz einzukleben?? Jeder vernünftig denkende Mensch kann sich vorstellen, dass das Drechseleisen mit wenig Druck im Apfelholz geführt wird, beim roten Cocobolo aber mehr Kraft braucht. Um danach zu tief ins weiche Apfelholz wieder einzutauchen. Eine durchaus – sagen wir mal – interessante Erfahrung. Aber es klappt. Den Blank zerreisst es nicht, die „Klebestellen“ sind perfekt, keine Unebenheiten oder winzige Spalten. Das könnte ein echt irrer Stift werden .... Jetzt brauchts was lustiges in der Werkstatt ... Simon & Garfunkel und Mrs. Robinson. Genau. Sound on!
Und welcher Held der Arbeit ist auf die Idee gekommen, ein rotes Exotenholz in ein sehr helles Apfelholz einzukleben?? Mann, mann, mann ... Beim Schleifen schmiert das Rot vom Cocobolo ins Apfelholz. Nach ausgiebigem zitieren einiger Bibelverse (die stehen da bestimmt an der einen oder anderen Stelle irgendwie drin ...) probiere ich das „seitlich orienterte sensitiv-unilaterale“ Anschleifen. Oder anders gesagt: von der Seite vom Hellen ins Dunkle schleifen. Kennt vermutlich jeder Schreinerlehrling im ersten Lehrjahr. Andere müssen sich das erarbeiten. Außerdem wurde ich grad ermahnt, dass die Musik zu laut wäre. Komisch, die Kreissäge hört man angeblich nicht im Haus. Simon & Garfunkel zu laut – niemals. Muss eine akustische Täuschung gewesen sein. Bleibt erst mal so.
So – alle Blanks sind gedrechselt. Drei haben es bisher nicht in die nächste Runde geschafft. Immerhin ein besser Schnitt als bei der nervigen Quietsch-Klum mit ihren zum Teil grenzintelligenten Hungerhaken. Dafür habe ich zu jeden Stift ein Bild. Und ich habe keine Jury. Fast keine – ich muss die Musik jetzt doch leiser machen ...
Und nun kommt die „geheime“ Zutat: meine Oberflächenversiegelung. Wie bei dem Zaubertrank von Miraculix geht das Rezept nur von Druidenmund zu Druidenohr. Nur halt angepasst an die modernen Zeiten ... also von youtube-Poster zu youtube-Konsument ...
Bei mir kommen aber ein paar eigene Ideen dazu. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass wie bei Miraculix die Zutat „Cyanacrylat“ enthalten ist (bei Miraculix wars ein Hummer, der nicht unbedingt nötig wäre, dem Trank aber einen guten Geschmack verleiht).
Da Cyanacrylat der Hauptbestandteil von Sekundenkleber ist, klebt das Zeugs fast alles, was damit in Berührung kommt. Untrennbar. Zum Beispiel Finger an die Kleberflasche ...
Da das Zeugs die Metall-Bushings auch untrennbar an die Holzstifte kleben würde, drechsle ich mit aus Polypropylenäthanollysergsäurediäthylamid (oder so ähnlich) eigene Bushings. Die verkleben nicht mit dem Cyanacrylat (ja, auf solche produktionserweiternden Hilfsmittel muss man halt kommen ...)
Oben sind die »Grande« Blanks, geschliffen und gewachst. Unten seht ihr das Gleich, aber ca. 30 Minuten später, mit 12 Schichten meiner Oberfläche. Das schaut schon mal gar nicht so schlecht aus. Wenn man bedenkt, dass diese Oberfläche in ein paar Tagen mit 9 verschiedenen Körnungen nassgeschliffen und auf Hochglanz poliert wird. Schaut dann aus wie eine runde Glasscheibe. Jetzt ist es eher noch „Milchglas“. Wir dürfen also alle gespannt sein, wie das final aussehen wird. OK - nur noch 12 Stifte ... hochgerechnet dürfte es dann irgendwo zwischen 3:00 und 3:30 Uhr morgens werden. Aber wie sagte weiland Meister Lennon: „Whatever gets you thru the night“.
Beispiele der Oberfläche bei »Caolan“ Stiften. Dieses Apfelholz könnte schon fast ein Ersatz für Olivenholz sein ... die Zeichnungen sind sensationell. Das müssen wirklich tolle Rollerballs werden ... bin ein klein wenig stolz drauf. Ist auch schon 1 Uhr morgens durch ...
Oben ein »Finley« mit rotem Cocobolo-Band, unten zwei »Alubes«. Wenn man bedenkt, dass ALLE Stifte aus Apfelholz sind, dann kann man mal sehen, wie unterschiedlich das Holz ausfallen kann. Und ich kann zurecht behaupten, dass die Stifte wirkliche Unikate sind. Denn wer will schon exakt zwei gleiche Stifte drechseln? Hat Hendrix ein Solo zweimal exakt gleich gespielt? Gibt es zwei identische Live-Versionen von „Sweet Home Alabama“? Und ich glaube, Meister Dali hat auch immer nur ein Bild einer Sorte gemalt ...
Und hier steht der ganze Kindergarten: 13 Stifte aus drei Serien. Die dürfen jetzt gründlich aushärten. Morgen ist erst mal die Serie „Dark Souls“ dran (Ebenhölzer und andere dunkle Holzarten), danach darf ich noch ein paar Stift-Bestellungen umsetzen. Ende der Woche gehts aber mit unseren „Äpfelchen“ weiter.
Die „Rohlinge“ mit der fast fertigen Oberfläche sind nun einige Tage durchgehärtet. Jetzt muss die Oberfläche auf Hochglanz poliert werden. Das geschieht durch Nass-Schleifen mit den Schleifpads. Während das „normale“ Schleifpapier eine Körnung (das ist die Feinheit des Schleifpapiers) von 80 bis 100 hat, verwenden wir viel feinere Körnungen: wir beginnen bei 1.500 und hören erst bei 12.000 auf. Das ist wie Autolack schleifen. 12.000 – das ist ungefähr wie Zeitungspapier. Also wird der erste Stift in die Maschine eingespannt, der Wasserbehälter darunter gestellt und los gehts.
Der erste »Grande« wird nun poliert. Eigentlich eine ungefährliche Arbeit. Man kann auch wenig kaputt machen. Außer man schleift die hauch-dünne Oberfläche durch - dann geht man zurück auf LOS, zieht keine 4000 Marke ein und beginnt nach dem Abschleifen der Restoberfläche von Neuem. Aber das passiert eher selten. Nur manchmal.
Nach dem »Grande Rollerball« (oder Füller, mal sehen, was es wird) kommen die Stifte »Caolan«, der zweifarbige »Finley« und der Drehkugelschreiber »Alube«
Leider tauchen hier ein paar Dinge auf, die die „Endkontrolle“ später nicht passieren würden. Wie zum Beispiel dieses „Loch“. Das muss erst versiegelt werden, ehe der Stift fertig gestellt werden kann.
Nachdem alle Oberflächen auf Hochglanz poliert wurden, erfolgt der Zusammenbau. Die Hardwareteile werden nun in die Röhrchen eingepresst (für den Zuschauer ein langweiliger Vorgang, für mich ein spannender, weil man hier im Bruchteil einer Sekunde die Arbeit der letzten Woche zunichte machen kann ...).
Und dann ist es soweit: die ersten Stifte sind fertig. Jetzt werden die Stifte noch unter der Lupe betrachtet, ob alles in Ordnung ist. Sollte es ein handwerklicher Fehler sein, werden sie ausgesondert, sollte es sich um naturgegebene Holzverfärbungen, Einschlüsse etc. handeln, dann darf der Stift passieren. Danach müssen sie noch fotografiert, erfasst und in den Shop integriert werden.